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Vortrag von Amnesty International

 
     
 

Feindliche Kombattanten: Die Auswirkungen des 11. September auf das Klima der Menschenrechte.

Linda Voggenreiter

Der 11. September hat uns verdeutlicht, dass kein Staat unverwundbar ist. Zu Mord und Selbstmord Entschlossene können jederzeit mit unvorstellbarer Gewalt zuschlagen. Dazu haben sich die Grundlagen bisheriger Sicherheitspolitik staatlicher Gewalt sowie die Szenarios der Bedrohung insgesamt dramatisch verändert. Nicht mehr Ost-West-Gegensätze und zwischenstaatliche Militärkonflikte stellen den Weltfrieden und die internationale Sicherheit in Frage, sondern vor komplexere und vielfältigere Gefahren nicht zuletzt durch weltweit operierende terroristische Netzwerke. Diese neue Dimension erschreckt und verunsichert nicht nur die Privatpersonen, sondern auch die staatliche Gewalt.

Uns besonders die staatliche Gewalt bestimmt die Durchsetzung und Erhaltung der Menschenrechte. Die Grundfrage liegt in der Balance zwischen Sicherheit und Freiheit: Wie ist die Sicherheit der Menschen optimal zu schützen, ohne die Freiheit und die Rechte des Einzelnen einzuschränken. Die Durchsetzung und Akzeptanz von Menschenrechten befinden sich auf dem schmalen Grat zwischen diesen beiden Polen. Und genau auf diese Balance und den Spielraum auf dem Grat dazwischen hat sich der 11. September folgenschwer ausgewirkt.

Was ist seit dem 11. September in Bezug auf Menschenrechte passiert?

USA machen al-Qaida für den Angriff verantwortlich, die USA erklären ihr Recht auf Präventivkriege und der Krieg gegen den internationalen Terrorismus beginnt als direkte Folge in Afghanistan In der Folge dieses Krieges werden "feindliche Kombattanten" nahezu rechtlos in Guantanamo und Camp Delta, Afghanistan, interniert, teilweise ohne Rechtsbeistand, vielfach incommunicado. In Camp Delta sind dabei schon mindestens 5 Todesfälle vorgekommen, in den meisten Fällen durch "Einwirkung stumpfer Gewalt" (Beispiel herzkranker Taxifahrer, Kapuze über dem Kopf; Verhörzentrum CIA, nackt, mit verbunden Augen und angekettet in eiskaltem Raum durch Scheinwerfer und Tritte am Schlaf gehindert - Schlafentzug ist als Foltermethode anerkannt) Kathrin zum Thema "feindliche Kombattanten" und völkerrechtliche Bedeutung Im Zuge der Ermittlungen wurden aber auch rund 1000 Menschen verhaftet, die meisten davon Araber oder Asiaten - einige sitzen bis heute in Haft. Nicht nur werden diese Menschen ohne Anklage festgehalten, auch ihre Identität wird geheim gehalten, Kontakt nach außen ist ihnen verboten. Eine unabhängige Untersuchung ist so nicht möglich, die Klage auf öffentliche Verhandlung wird jedoch abgewiesen. Krieg gegen den Irak wird vorbereitet - mit dem Argument, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen und verletze die Menschenrechte - und wird gegen den Widerstand der internationalen Gemeinschaft und der Uno mit der Koalition der Willigen durchgeführt.

China Hatte bereits einige Jahre zuvor so genannten Terroristen den Kampf angesagt, die aber hauptsächlich aus tibetanischen Separatisten und der Falun-Gong-Anhängern besteht Durch das Einschwenken der USA wird die Position der chinesischen Führung gestärkt.

Russland Auch Russland erklärt seinen Krieg in Tschetschenien zum Kampf gegen den Terrorismus, um die Kritik daran abzuschwächen.

Israel Vorgehen gegen Palästinenser in besetzten Gebieten wird ebenfalls als Kampf gegen den Terrorismus deklariert.

Afrika Robert Mugabe begründet verschärfte Gesetzgebung und Notstandsgesetze damit, dass er aufrührerische Terroristen innerhalb seines Landes bekämpfen muss.

Deutschland Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst sind berechtigt, bei Banken und Finanzdienstleistern Erkundigungen einzuholen. Geheimdienstler können Telefonate überwachen und aufzeichnen. Menschen, die an einer sicherheitsempfindlichen Stelle in "lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen" arbeiten oder tätig werden wollen, müssen sich und ihr Umfeld auf Staatstreue hin durchleuchten lassen. Der Staat kann gegen der Terrorismusnähe verdächtige und zu Intoleranz aufrufende Vereine vorgehen und sie verbieten. Wer als Ausländer in den begründeten Verdacht gerät, die Sicherheit der Bundesrepublik zu gefährden, darf nicht nur nicht einreisen, sondern wird auch ausgewiesen. Die wieder eingeführte Rasterfahndung soll durch Datenabgleich Verdächtige aufspüren. Den Strafverfolgungsbehörden wird der Zugriff auf die Sozialdaten erlaubt. Ausweispapiere soll künftig biometrische Daten enthalten.

Insgesamt drohende Aufweichung der Antifolter-Konvention: Es mehren sich die Hinweise darauf, dass mutmaßliche Terroristen zum Verhör in Staaten gebracht werden, in denen Folter angewandt wird - amnesty international vermutet, dass Internierte von amerikanischen Geheimdiensten nach Marokko, Jordanien und Ägypten gebracht wurden; Zitat eines US-Geheimdienstmannes: "Wir treten nicht die Scheiße aus ihnen heraus. Wir schicken sie in andere Länder, damit sie die Scheiße aus ihnen heraustreten." Ein anderer: "Wenn wir nicht zeitweise die Menschenrechte verletzen, machen wir nicht unsere Arbeit." Biowaffen-Konvention in Genf ist am Verhalten der USA gescheitert.

Amnesty International und der 11. September Amnesty befürchtet vor allem die Einschränkung bereits akzeptierter internationaler Menschenrechtsstandards Besonders im Bereich Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit Zudem steht die Korrumpierung der Rechtssysteme im Vordergrund In manchen Staaten wird 2-Klassen-Recht eingeführt Vermutliche Terroristen werden nach anderen Regeln und mit anderer Beweisführung vor Gericht gestellt, sie stehen außerhalb des normalen Strafrechtssystems Regeln der Prozessführung werden außer Kraft gesetzt, das Recht auf einen fairen Prozess (ebenfalls ein Menschenrecht) ist in Gefahr.

Der 11. September stellt also eine Zäsur in der Menschenrechtspolitik dar. Die USA gehen dabei einen Weg der kompromisslosen Härte und bedienen sich aller "Schlupflöcher", um die Sicherheit ihrer Bürger zu gewährleisten, sie vor neuen Terroranschlägen zu schützen. Dabei werden Menschenrechtsfragen hinten angestellt, der Handlungsspielraum für Menschenrechte extrem eingeschränkt. Die Rechte des Einzelnen zählen im Anti-Terrorkampf nicht mehr viel. Die große Gefahr dabei ist, dass Unschuldige in Mitleidenschaft gezogen werden, weil z.B. die USA es nicht schaffen, die wirklich Verdächtigen zur Rechenschaft zu ziehen, aber irgendeine Form von Aktion zeigen müssen.

Andere Staaten bemühen sich zumindest um die Wahrung der Standards, wie das Auswärtige Amt betont: "Internationale Grundrechts- und Menschenrechtsstandards müssen sich gerade auch in Krisenzeiten bewähren. Bei allem Verständnis für erforderliche sicherheitspolitische Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und neuer Bedrohungsszenarien ist auf Wahrung des menschenrechtlich Erreichten zu bestehen und nicht zuzulassen, dass die notwendigen strengeren Sicherheitsmaßnahmen die freiheitlichen Grundwerte unseres Zusammenlebens und die Menschenrechte gefährden. Gerade Demokratien sind bei der Terrorismusbekämpfung an eigenen Maßstäben zu messen."

Gefahren für die Menschenrechte aus dem 11. September: eine erhöhte Nachsicht und Toleranz gegenüber Staaten mit problematischen Menschenrechtssituationen, nur weil diese sich am Kampf gegen den internationalen Terrorismus beteiligen ("Anti-Terror-Rabatt") ein Stillstand bei internationaler Normierung von Menschenrechten in VN-Gremien durch Dominanz sicherheitsrechtlicher Diskussionen, etwa in der VN-Menschenrechtskommssion in Genf oder im Menschenrechtsausschuß der VN-Generalversammlung eine "Umwidmung" von Menschenrechtsverletzungen in Anti-Terror-Maßnahmen: "Freibrief" für Regierungen, im Namen der Terrorbekämpfung die Menschenrechte zu missachten.

Legitimierung von Menschenrechtsverletzungen unter dem Etikett der Terrorismusbekämpfung Aushebelung menschenrechtlicher Grundstandards durch Aussetzungen bestehender Verpflichtungen aus internationalen Menschenrechtsabkommen ("Derogations-Klauseln")

"Windschatten-Maßnahmen":

  • Verletzung von Menschenrechten unter Ausnutzung der Ablenkung internationaler Öffentlichkeit auf andere Regionen und Themen (während des Irak-Kriegs geriet Guantanamo und Camp David in Vergessenheit)
  • Beschränkung unliebsamer Opposition unter dem Deckmantel von Terrorismusbekämpfung
  • Stigmatisierung und Pauschalisierung einzelner Bevölkerungsgruppen oder Ressentiments gegen Fremde, Ausländerfeindlichkeit und Suche nach einfachen Feindbildern und Sündenböcken
  • Alleinige Dominanz der Themen innerer und äußerer Sicherheit vor menschenrechtlichen, sozialen, kulturellen und entwicklungspolitischen Aspekten

"There is a risk that governments will ride on the interest to combat terrorism since the 11th of September for their own internal purposes."

http://www.rnw.nl/hotspots/html/humanrights020318.html

"Since the attacks, states have introduced legislation which violates accepted international human rights standards and the risk is then that we may criminalize legitimate activities, for example areas around freedom of association or freedom of expression. People are being detained indefinitely and denied access to the normal criminal justice system. Some countries have established special courts or tribunals to try certain types of so-called terrorist cases and those courts have special rules and evidence, which are different from what is normally accepted in the criminal justice system. There's a risk that they may violate fair trial standards, for example deny defence council access to evidence which is deemed secret or sensitive for the state."



 
 
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