BürgerInnen gegen den Krieg
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Brief an Bundestagsabgeordnete zum Rücktritt von Bundespräsident Köhler wegen Bemerkungen, die mit dem Weißbuch der Bundeswehr konform sind |
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Die "BürgerInnen
gegen den Krieg" (Ebersberg) haben am 21. Juni an die beiden Mitglieder
des Bundestages Max Lehmer und Ewald Schurer den nachfolgenden Brief gesandt. Wir nahmen Bezug auf die Presseberichte vom 08.06.10, in denen die beiden Mitglieder des Bundestages gemäßigte bzw. heftige Kritik an den Äußerungen des (inzwischen zurückgetretenen) Bundespräsidenten Horst Köhler äußerten und stellten in dem Brief fest, dass Köhlers Äußerungen fast wörtlich mit den Aussagen des Bundeswehr-Weißbuches von 2006 übereinstimmen (Zitate im Anhang des Briefes). Wenn die Äußerungen des eh. Bundespräsidenten als grundgesetzwidrig und untolerierbar genannt wurden, dann ist es das Weißbuch auch. Damit stellt sich die Frage, was die beiden Bundestagsabgeordneten tun wollen, um dieses Weißbuch durch ein grundgesetzkonformes zu ersetzen.
Sehr geehrter Herr Schurer/Lehmer, wir, die "BürgerInnen gegen den Krieg" wundern uns über die Aussagen von Ihnen, die in der Süddeutschen Zeitung Ebersberg (08.06.2010, S.1) Lars Brunckhorst in seinem Artikel "Politiker von Köhler-Rücktritt überrascht" zitiert (Eine Zusammenfassung der Zitate im Anhang unseres Briefes). Wenn der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler zurückgetreten ist, weil die Grundgesetzkonformität seiner Aussage angezweifelt wurde, genügt auch das Weißbuch der Bundeswehr von 2006 diesen Ansprüchen nicht. Das Weißbuch der Bundeswehr geht in seiner militärischen Klarheit noch deutlich über Horst Köhlers frei ins Mikrofon gesprochenen Satz hinaus. Es postuliert militärische Einsätze, die gegen das Völkerrecht und das Grundgesetz verstoßen (siehe Anhang), das Weißbuch der Bundeswehr ist mit dem Völkerrecht und dem Grundgesetz unvereinbar. Alle grundlegenden Dokumente und Verträge, ebenso wie die Ausarbeitungen
der Regierung und Behörden des Bundes, in diesem Falle das Weißbuch
2006 der Bundeswehr herausgegeben vom Ministerium für Verteidigung,
müssen in Gänze mit dem Völkerrecht und dem Grundgesetz
vereinbar sein. Das Völkerrecht und das Grundgesetz erlauben in keiner Weise einen Krieg aus wirtschaftlichen Gründen, sei es aus Zielen des Handels, der auswärtigen Stabilität oder des Wohlstandes. Wir, die "BürgerInnen gegen den Krieg" befassen uns seit über 10 Jahren mit den Grundlagendokumenten deutscher Außenpolitik, zu denen gehört selbstverständlich auch das Weißbuch der Bundeswehr von 2006, das weiterhin in der unten zitierten Fassung im Internetauftritt des Bundesministeriums für Verteidigung einzusehen ist. Insofern fordern wir Sie auf zu entscheiden, was Sie im Bundestag unternehmen wollen, damit das Weißbuch der Bundeswehr von 2006 als unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt wird.
In dem Kapitel "Grundlagen deutscher Sicherheitspolitik" des
Weißbuchs von 2006 steht auf den Seiten 22 und 23 : "Deutschland
hat aufgrund seiner immer engeren Verflechtung in der Weltwirtschaft besonderes
Interesse an Internationaler Stabilität und ungehindertem Warenaustausch.
Wie viele andere Länder ist es in hohem Maße von einer gesicherten
Rohstoffzufuhr und sicheren Transportwegen in globalem Maßstab abhängig.
Verwerfungen im internationalen Beziehungsgefüge, Störungen
der Rohstoff- und Warenströme, beispielsweise durch zunehmende Piraterie,
und Störungen der weltweiten Kommunikation bleiben in einer interdependenten
Welt nicht ohne Auswirkungen auf nationale Volkswirtschaft, Wohlstand
und sozialen Frieden. ... Von strategischer Bedeutung für die Zukunft
Deutschlands und Europas ist eine sichere, nachhaltige und wettbewerbsfähige
Energieversorgung. Dabei stellen sich globale Herausforderungen..."
Im SZ-EBE-Artikel lesen wir "...Köhler habe mit seinen Äußerungen
zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr einen 'Paradigmenwechsel' eingeleitet,
der vor dem Hintergrund unserer Geschichte unhaltbar ist' sagte Schurer.
'Das sind nicht zu akzeptierende, unhaltbare Äußerungen gewesen,
noch dazu für den höchsten Repräsentanten unseres Staates.'
Die Bundeswehr sei nicht zur Verteidigung ökonomischer Interessen
da, so der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende weiter."
Vom Bundestagsabgeordneten Ewald Schurer erhielten wir am 24. Juni nachfolgende vorläufige Antwort: Sehr geehrter Herr Schmidt-Koska, herzlichen Dank für Ihre E-Mail vom 21.06.2010, in der Sie sich kritisch über eine Aussage von Ewald Schurer MdB in der Süddeutschen Zeitung Ebersberg vom 08.06.2010 äußern. Darüber hinaus erwarten Sie eine Entscheidung, was Herr Schurer im Bundestag unternehmen will im Hinblick auf das Weißbuch der Bundeswehr von 2006. Sie werden so bald wie möglich eine persönliche Antwort von Herrn Schurer erhalten. Mit freundlichen Grüßen Doris Müller
Die "Ebersberger Süddeutsche Zeitung" berichtete in ihrer Ausgabe vom 28. Juni auf Seite 3 über die Aktion: Am 7. September antwortete der SPD-Abgeordnete Schurer ausführlich: Sehr geehrter Herr Schmidt-Koska,
In ihrer Ausgabe vom 5. Oktober berichtet die "Ebersberger Süddeutsche Zeitung" über den Anwortbrief der SPD-Bundestagsabgeordneten Ewald Schurer: Darauf antworteten die "BürgerInnen gegen den Krieg" mit folgender Pressemitteilung: "Disput um Bundeswehr-Einsatz" (Regionalausgabe der SZ vom 05.10.10) Mit seiner Aussage, "Es wäre intellektuell unredlich zu behaupten, dass die Argumente der Friedensinitiative völlig falsch sind.", kommt Herr Schurer den BürgerInnen gegen den Krieg einen Schritt entgegen. Allerdings biegt er an einer Kreuzung falsch ab, nämlich bei seiner Schlussfolgerung, Deutschland müsse aus der NATO austreten, wenn man den Argumenten der BürgerInnen gegen den Krieg folge. Herr Schurer dagegen befürworte eine führende Rolle Deutschlands in der NATO, so dass diese nur in "humanitären Fällen zum Einsatz" komme. Diese Idee, die Bundeswehr als bewaffnete Entwicklungshilfeorganisation darzustellen ähnelt natürlich sehr der Behauptung einiger Radrennfahrer, sie hätten ihr angebliches Asthma mit Medikamenten bekämpft, deren Nebenwirkungen "zufälligerweise" leistungssteigernd und muskelaufbauend wirken. Die BürgerInnen gegen den Krieg erwarten nicht den Austritt Deutschlands aus der NATO. Sie erwarten allerdings die tatsächliche Beschränkung der NATO-Staaten auf die Selbstverteidigung der NATO-Länder. Leider trat nach der Auflösung des Warschauer-Pakts 1990 das Gegenteil ein. Gerade weil die NATO nun ohne Gegner da standen, arbeitete sie vehement daran, sich eine neue Existenzberechtigung zu gestalten. Neue Feindbilder (Jugoslawien, Islam) wurden kreiert. Als Operationsgebiet wurde kurzer Hand die die ganze Welt definiert. Das war das zwingende Ergebnis eines Denkens, die einzig verbliebene militärische Weltmacht könne von nun an alles dominieren. Stattdessen hätte es mehr für die Welt gebracht, den überbordenden Militärkomplex nicht nur für wenige Jahre kurzzeitig herunterzufahren, sondern dauerhaft die gesamte militärische Apparatur und das militärische Denken der günstigen Lage anzupassen - ein schlimmer Gedanke für Rüstungssüchtigen und Rüstungsprofiteure.
Olaf Rautenberg (SPD) von den "BürgerInnen gegen den Krieg" merkte noch Folgendes dazu an: Durch die klärenden Worte von Ewald Schurer wird die Verwirrung für mich immer größer: Der Einsatz der Bundeswehr in geografisch weit entfernten Regionen ergibt sich laut Aussage von Ewald Schurer nicht aus unserem Grundgesetz(GG) sondern aus der von Ewald Schurer zitierten Nato-Doktrin, an die Deutschland gebunden ist. Verstößt Deutschland mit Erfüllung dieser Doktrin gegen das Grundgesetz Artikel 87a [Aufstellung und Einsatz der Streitkräfte] (1) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Weil laut GG die Streitkräfte nur zur Verteidigung aufgestellt werden, besteht eben offensichtlich allgemeiner Konsens darin, dass am Hindukusch die Freiheit Deutschlands verteidigt wird. Wenn wir uns auch nach den Worten unseres Verteidigungsministers derzeit in Afghanistan also in einem (Verteidigungs-) Krieg befinden, müsste dann nicht die Bundeskanzlerin die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte äbernehmen oder gilt hier das GG auch nicht? Artikel 115b [Übergang der Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte auf den Bundeskanzler] Mit der Verkündung des Verteidigungsfalles geht die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte auf den Bundeskanzler über. Was hat die Unterstützung des amerikanischen Angriffskrieges in
Afghanistan durch die Bundeswehr mit den von Schurer zitierten humanitären
Fällen zu tun, für die die Nato-Streitkräfte nur zum Einsatz
kommen sollen? "Wer in das Kanonenrohr eines Leopard 2 schaut, überlegt sich
zwei Mal, ob er einen deutsche Patrouille angreift", macht der Wehrbeauftragte
Hellmut Königshaus (FDP) die Humanität dieses Bundeswehreinsatzes
in Afghanistan deutlich.
In ihrer Ausgabe vom 22. Oktober schrieb J. Patrick Fischer, Kreisvorsitzender
Arbeitskreis Auen- und Sicherheitspolitik der CSU Ebersberg/Erding im
Forum auf Seite 5 folgenden Leserbrief:
Werner Schmidt-Koska von den "BürgerInnen gegen den Krieg" schrieb dazu folgeden Leserbrief, der am 3.November verkürzt in der Ebersberger Süddeutschen Zeitung abgedruckt wurde: Herr Fischer wundert sich "dass ... die Legende, Bundespräsident
Horst Köhler habe sich für Militäreinsätze aus wirtschaftlichen
Interessen ausgesprochen, immer noch im Schwange ist ..." Herr Fischer verweist darauf, dieser Einsatz würde nicht dem Völkerrecht widersprechen, weil er durch Vereinte Nationen und Europäische Union genehmigt sei und streng internationalem Recht folge. Dasselbe gelte für Afghanistan, weil dieser auch von der Nato als Verteidigungsfall für die USA ausgerufen worden sei. Diese Auffassung von Herrn Fischer folgt der gängigen, legalistischen Interpretation der Institutionen, was bedeutet, dass der Sicherheitsrat oder die NATO auf der Grundlage ihrer Verfahrensweise Beschlüsse fassen und diese gelten. Diese Auffassung setzt aber voraus, dass allein dieses instititutionell-legalistische Verfahren zur Legitimität führt - Legalität ist aber nicht gleich Legitimität, auch wenn in den einfachsten Lexika positivistisch die Begriffe mit "Gesetzmäßigkeit" gleich gesetzt werden: Legitimität hat aber eine weiter gehende inhaltliche Bedeutung. Legitimität verlangt, dass die Handlung nicht gegen die Gerechtigkeit verstößt, also in tieferem Sinn nicht illegitim wird, wertrational gerecht bleibt. In den letzten Jahren wird - besonders von hohen politischen Personen - die Wertorientierung unserer Gesellschaft und des Staates betont. Die Demokratie braucht demnach eine Rückbindung an materiale Wertideen und Wertgrundsätze, auf ihnen beruht demnach die Demokratie (die sich dann weiter formale Regeln und Verfahren der Gesetzgebung und Personalauswahl gibt). Wie lauten aber diese Wertgrundsätze? Wir können sie nachlesen z.B. in der Bayerischen Verfassung (Präambel Abs. 2: "...die Segnungen des Friedens, der Menschlichkeit und des Rechts ..." und Art. 98 und folgende) und im Grundgesetz Deutschlands ebenfalls die Präambel und die Artikel 1 bis 19. Hier sind die Grundrechte ausgeführt, d.h. die in Rechtsform formulierten Grundwerte. Die Grundwerte können wir weiter nachlesen in der Charta der Vereinten Nationen und wir könnten uns alle beglückwünschen, wenn sie so überall auf der Welt reale Gesetze wären! Denken wir nur an die Kinderrechte, die von der Unicef (Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen) genannt werden: Recht auf gesunde, geistige und körperliche Entwicklung, Recht auf ausreichende Ernährung, Recht auf Liebe, Verständnis und Fürsorge, Recht auf Schutz vor Grausamkeit, Vernachlässigung und Ausbeutung, Recht auf Erziehung im Geiste der weltweiten Brüderlichkeit, des Friedens und der Toleranz. Wird das alles in den Einsätzen der Bundeswehr und der NATO gewährleistet oder wenigstens gefördert? Der Verweis auf die formale Befolgung von Beschlüssen ist dabei zu wenig. Wenn der Sinn der NATO im Befördern humanitären Fortschritts läge, könnten wir sie gleich der UNICEF unterordnen.
Am 30. Novemberwurde in der Eberberger Süddeutschen Zeitung folgender Leserbrief von Alfons Kühnstätter dazu veröffentlicht:
Eine Reaktion vom Wahlkreisbüro Lehmer steht noch aus (Stand 12. Dezember 2010).
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